6. SONNTAG in der Osterzeit
„Ihr sollt einander lieben“. „Liebe“ ein oft missbrauchtes, abgedroschenes Wort. Lieben hat viele Gesichter, kann sich auf vielerlei Art äußern: romantische, leidenschaftliche, dramatische Liebe. Liebe zwischen Mann und Frau, die Liebe von Eltern zu ihren Kindern und umgekehrt, Liebe zwischen Freunden und Freundinnen. Was meint aber Jesus, wenn er sagt, dass wir einander lieben sollen?
Es geht hier um viel mehr als um ein Gefühl. In einem unserer Lieder heißt es: „Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe das sind Worte und Taten.“ Es ist eine Art miteinander umzugehen. Es geht um Taten, durch die wir einander deutlich machen, spüren lassen, dass wir einander nur Gutes wünschen und tun wollen.
Ich liebe, wenn ich jemandem eine Freude mache; wenn ich ihm ohne Vorurteile begegne; wenn ich ihm in schweren Zeiten beistehe; wenn ich ihn verstehen will, mich ehrlich für ihn interessiere und ihn so annehme, wie er ist, auch mit - ja trotz seiner Fehler! Dann fühlt er sich als „wertvoll“ bestätigt.
Aber Jesus geht viel weiter. Er gibt diesem Lieben einen viel tieferen Sinn, indem er es mit Gott in Verbindung bringt. „Wie mich der Vater liebt, so liebe ich euch“, sagt er. Stärker noch: „Die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat von Gott nichts verstanden.“
Liebe macht also das Wesen Gottes aus. „Gott ist Liebe“, heißt es in der Sprache des Evangelisten Johannes! Das wissen wir durch die Lebensgeschichte von Jesus: Wo Jesus im Namen Gottes handelt, liebt, werden Menschen besser, heiler. Diese Liebe ist die schöpferische Kraft, mit der Gott alles ins Leben gerufen hat. Und in der Schöpfungserzählung heißt es, dass Gott die Menschen „nach seinem Bild“ geschaffen hat. Gott hat etwas von sich selbst in die Menschen hineingelegt. Wenn wir lieben, wirkt etwas von Gottes Wesen in uns. Gott wirkt in uns .
„Liebt einander. Das ist das Gebot, das ich euch gebe.“ Eigentlich ist es das einzige „Gebot“, das Jesus gegeben hat. Wir sind nur dann Christen, wenn wir nach diesem Gebot handeln und leben!
Und wann sind wir dazu fähig? Wenn uns klar geworden ist, wenn es tief in uns gedrungen ist, dass Gott uns zuerst geliebt hat. Er kommt uns mit seiner Liebe zuvor, sogar schon bevor wir uns dessen bewusst sind. Wir sind von Gott von vornherein akzeptiert, so wie wir sind, mit unseren guten und weniger guten Seiten und Eigenschaften. Da können wir doch nur dankbar sein und seine Liebe mit Gegenliebe beantworten, indem wir es machen wie er: indem wir einander annehmen, wie wir sind, füreinander da sind, einander lieben. Ein Christ, der das nicht wenigstens versucht, hat weder von Gott noch von Jesus etwas verstanden.
Der Evangelist Johannes schreibt sein Evangelium für konkrete Christen, für eine konkrete Gemeinde. Er sagt nicht schwärmerisch: „Ihr sollt alle Menschen lieben“, sondern ganz konkret: „Ihr sollt einander lieben.“ Als Christen sollt ihr diese fürsorgliche Einstellung untereinander durch Taten wahr machen. So werdet ihr auch den Auftrag von Jesus erfüllen, der sagt: „Ich habe euch dazu bestimmt, dass ihr zu den Menschen hinausgeht und meine Liebe weitergebt und so reiche Frucht bringt.“ Geht - ohne wenn und aber - aufeinander zu, schenkt einander dieses Wohlwollen, einander "Wohl“-tuend. So gebt ihr die liebevolle Einstellung, die Gott zu euch hat, aneinander weiter. Lieben heißt: Es machen wie Gott.
„Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“, sagt Jesus. Wer wirklich liebt, wird Freude erfahren, Lebensfreude.